Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit verbindet zwei Aspekte des Geistes miteinander:
Der eine ist das entspannte Loslassen, der andere die wache Aufmerksamkeit.
Zusammen bilden sie das, was man als stillen und klaren Geist bezeichnen kann.

Das entspannte Loslassen ermöglicht uns, die Dinge so anzunehmen, wie sie gerade sind - in Frieden mit uns selber zu sein und mit unserem Leben. Wir befreien uns von überflüssigen Bewertungen und können so den Gegebenheiten ins Auge sehen, mit unverzerrtem und wohlwollendem Blick.

Der andere Aspekt vermag unsere Aufmerksamkeit zu steuern und auf die Dinge zu richten, die wir als wichtig erkennen. Er sorgt für die Sammlung des Geistes und eine klare Sicht auf die Dinge des Lebens.

 

Mehr als "aufpassen"!

Die Folgen für das Leben sind vielfältig und in allen Lebensbereichen spürbar.
So können wir den schweren und belastenden Momenten des Lebens besser begegnen, mit mehr Gelassenheit und Souveränität. Und wir können die schönen Momente intensiver erfahren, mit mehr Freude und Dankbarkeit.

Der Begriff „Achtsamkeit“, so wie er in unserem Kontext gemeint ist, bezeichnet also weit mehr als ein bloßes „Aufpassen“. Er verweist vielmehr auf eine umfassende Bewusstheit unseres Erlebens, die alle Bereiche unserer Erfahrung durchdringt. Dazu gehören die Empfindungen des Körpers, unsere Stimmungen und Gefühle ebenso wie unsere Gedankengänge und Einstellungen. Es ist eine wohlwollende Kontaktaufnahme mit unserem Leben.

 

 

 

Wozu Achtsamkeit?

Tagesablauf eines Menschen, der sich genau das fragt

 

Am Morgen

1) Nach dem Frühstück merkt er, dass er es eigentlich verpasst hat - er hat den Kaffeeduft nicht wirklich wahrgenommen, das Knäckebrot nicht knacken gehört, und seine Zunge hat die Butter nicht wirklich gekostet.
Achtsamkeit schenkt Genuss und die Wertschätzung der kleinen Dinge.

2)  Im Treppenhaus nervt ihn eine flotte Bemerkung der Nachbarin. Er reagiert gereizt und aggressiv, was er später bereut.
Achtsamkeit erkennt die Lücke zwischen  Reiz und Reaktion und schafft damit den Raum, sich für eine sinnvolle Reaktion zu entscheiden.

Am Arbeitsplatz

3) Bei der Arbeitsstelle angekommen, fällt es ihm schwer, sich auf seine Tätigkeit zu konzentrieren, er fühlt sich fahrig und nervös.
Achtsamkeit hilft, sich auf eine Tätigkeit zu fokussieren. Zufriedenheit und Ausgeglichenheit sind die Folge.

4) In der Kaffeepause zieht er sich zurück um zu entspannen, aber in seinem Kopf schwirren die Gedankenfetzen chaotisch umher und lassen keine Erholung zu.
Achtsamkeit ermöglicht, die Aufmerksamkeit zu steuern und kann somit tiefe Entspannung und echte Erholung schenken.

5) Nach der Pause erdrückt ihn der Gedanke an sein Arbeitspensum. Schweißausbrüche und gehetzte, angespannte Bewegungen zeigen allen: Er ist im Stress!
Achtsamkeit öffnet das Gewahrsein für die Signale des Körpers und gibt so die Möglichkeit, auch in belastenden Momenten eine ruhige und entspannte Haltung einzunehmen. Dann lässt sich leichter unterscheiden zwischen wirklich dringenden und sonstigen Tätigkeiten.

6) Bald hat die vertraute Versagensangst ihn fest im Griff und quält ihn mit dem Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Achtsamkeit macht eigene Gedankenstrukturen und wiederkehrende Bewertungsmuster transparent. An ihre Stelle treten eine realistischere Einschätzung und eine wohlwollendere Haltung sich selbst gegenüber.

 

Menschliche Kontakte

7) Die hysterische Art eines Kollegen erfüllt ihn mit heimlicher Aversion und Missgunst.
Achtsamkeit hilft, die eigenen Emotionen besser kennenzulernen und damit die Gefühle anderer Menschen zu verstehen. Sie schafft so die Basis für Einfühlsamkeit und Empathie.

8) Ein überraschender Anruf eines Freundes konfrontiert ihn mit dessen Leiden. Er kann sich jedoch kaum auf dessen Sorgen einstellen und liest gleichzeitig ein paar E-Mails.
Achtsamkeit erzeugt Wachheit und Präsenz im Umgang mit anderen Menschen.

9) Inzwischen wird ihm klar, dass er sich bald entscheiden muss, ob er zu seiner Freundin ziehen will. Aber die widerstreitenden Motive in seinem Gehirn verwirren und lähmen ihn.
Achtsamkeit hilft, die eigenen Gefühle genauer zu erkennen und sich somit Rechenschaft über eigene Motive zu geben. Damit können Entscheidungen auf einer klaren Basis getroffen werden.

 

Am Ende des Tages

10) Auf der Heimfahrt muss er lange auf die Bahn warten. Er verliert sich in Tagträumen und Grübeleien und starrt auf sinnlose Werbesequenzen auf einem Bildschirm.
Achtsamkeit kann das Glück des einfachen Daseins vermitteln. Warten ohne die Lücke füllen zu müssen. Atmen und Staunen.

11) Zu Hause überfällt ihn das Bedürfnis, massenweise Süßigkeiten zu verschlingen.
Achtsamkeit erkennt derlei Gelüste sofort und erzeugt eine Zäsur, in der eine echte Entscheidung gefällt werden kann. Sie kann zum Verzicht führen und damit zu dem Abenteuer, dem Verlangen unerschrocken in die Augen zu sehen.
Oder zum genussvollen Vertilgen von Schokoladenlakritz.

12) Der Anblick eines noch ungeöffneten Briefes seines Arztes löst eine tiefe Angst in ihm aus.
Achtsamkeit ermöglicht einen Perspektivwechsel von dem Gefangensein in einem Gefühl zu dem stillen Gewahrsein des Gefühls als einer flüchtigen und natürlichen Erscheinung.

13) Beim Verfassen eines sehr persönlichen Briefes versagt ihm die Kreativität ihren Dienst und er sucht vergeblich nach passenden Worten.
Achtsamkeit taucht in die Stille des Geistes ein und öffnet die Wahrnehmung für aus dem Unbewussten aufsteigende Intuition.

14) Ein Schmerz in der Schulter erfüllt ihn mit Ärger und ihm fällt auf, dass dieser Schmerz schon den ganzen Tag über andauerte, er ihn aber nicht richtig bemerkt hat.
Achtsamkeit verfeinert die Wahrnehmung des eigenen Körpers und fördert ein inniges und fürsorgliches Verhältnis zu ihm.

15) Abends überkommt ihn ein Gefühl von Sinnlosigkeit und Trauer.
Achtsamkeit führt zu tiefer Einsicht in die Natur der Dinge, ihre Verwobenheit und Vergänglichkeit, aber auch in die Schönheit und Einzigartigkeit des Lebens. Diese Einsicht geht über das rationale Verständnis der Dinge hinaus, greift tief in unseren emotionalen Haushalt ein und verändert grundlegend unsere Einstellung zu unseren Erfahrungen.

 

Achtsamkeit und MBSR

Die Entwicklung von Achtsamkeit ist das zentrale Thema von MBSR-Kursen. Hier finden Sie mein Angebot von MBSR-Kursen in Berlin

 

Weitergehende Informationen

zu den Besonderheiten der Achtsamkeit können Sie in diesem Buch finden.

 

"Im Achtsamkeitskurs habe ich gelernt,
mich einmal nicht abzulenken
und eine Meditation in Stille zu wagen.
Ich konnte die positive Erfahrung machen,
dass es selbst bei immer vollem Kopf möglich ist,
durch Achtsamkeit und Meditation
innere Ruhe zu erfahren."

Studentin, 26 Jahre, 2016